Presentation

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Group Exhibition
Museum
Details
Date09.04.2022 – 26.06.2022
CityJena
CountryGermany
VenueKunstsammlung Jena
Type of VenueMuseum
CategoryGroup Exhibition
CuratorAnette Vogel, Erik Stephan
Tags
Works

George Grosz nimmt in der europäischen Kunstgeschichte eine wichtige Position ein. Er gehört zur Generation jener Künstler und Künstlerinnen, die zwei Weltkriege miterlebten und die mit ihren Werken das Geschichtsbild des 20. Jahrhunderts maßgeblich prägen konnten. Den heute vorliegenden Dokumenten aus dieser bewegten Epoche stellte Grosz ein wagemutiges, geradezu radikal-entlarvendes Werk an die Seite, welches die Bildikonografie der Weimarer Republik bis heute mitbestimmt. Sein Menschenbild, das er mit klarer Formensprache und ungewöhnlicher Schonungslosigkeit vor Augen führt, beeindruckt nicht nur wegen seiner künstlerischen Brillanz, sondern auch mit einer präzisen sozialpolitischen Zustandsbeschreibung seiner Zeit.

Die Ausstellung in der Kunstsammlung Jena wird rund 100 Werke aus seinen wichtigsten Schaffensperioden vereinen, schwerpunktmäßig Arbeiten auf Papier aus den Berliner Jahren. Vor dem Hintergrund seiner nachhaltigen Wirkkraft präsentiert die Ausstellung zudem ausgewählte Positionen nachfolgender und zeitgenössischer Künstler, die eine vergleichbare Hinwendung zu gesellschaftspolitischen Themen suchten und fanden. Dabei bilden die selten gezeigten frühen Arbeiten von Andy Warhol, bei denen das Life-Magazin als Inspirationsquelle diente, sicherlich den erstaunlichsten Zusammenhang. Zeitgenössische Werke von Birgit Brenner, David Shrigley, Neals Fox, Jonathan Meese und Julian Rosenkranz und anderen werden spannendende Parallelen bis in die Gegenwart offenbaren.

Grosz’ Ikonografie ist von der Verarbeitung des Ersten Weltkriegs geprägt. Als Vertreter der deutschen Avantgarde wählte er einen Sonderweg der figürlichen Darstellung, die er bis zur Groteske und einer stenogrammartigen Typologie ausreizte, während die europäische Avantgarde die Modernität zumeist in der Abstraktion suchte. Thematisch hielt Grosz die Welt und den Menschen im Umbruch fest: Einstürzende Häuser, Soldaten, Generäle, Kriegsversehrte, Kapitalisten, Spießer und Prostituierte. Er machte weder Halt vor Vertretern der Obrigkeit und Klerikalen noch vor Künstlerkollegen. Seine Werke geben Zeugnis von den Folgen des Krieges, den rasanten gesellschaftlichen Veränderungen, verschärften Klassenunterschieden und Korruption. Parallel dazu war er ein ironischer Selbstporträtist und verfolgte das Spiel der Geschlechter gern auch jenseits politischer Zustandsbeschreibungen.

Seine mit satirischer Schärfe zugespitzten Arbeiten präsentieren vehemente Kritik, kosmopolitische Utopien, Grotesken und die Sehnsucht nach der neuen Welt. 1916 hatte er seinen Namen von Georg Groß zu George Grosz anglisiert, um seine Antikriegshaltung zu demonstrieren und die patriotische Stimmung im Kaiserreich zu konterkarieren. Er war vom Misanthropen zum politischen, zeitweise dadaistischen Agitationskünstler gereift, der in der Weimarer Republik, auf dem Höhepunkt seiner Popularität, zum Moralisten wurde und warnend den Zeigefinger hob.

Mit fünf Gerichtsverfahren, u.a. wegen Amtsbeleidigung, Gotteslästerung und Verbreitung unzüchtiger Blätter, erreichte er eine Medienpräsenz, die im Zusammenspiel mit der Publikation seiner Zeichnungen in zahlreichen Zeitschriften bis hin zu Bildern für die Theaterbühne Piscators von einer ausgeklügelten Strategie und Theatralik zeugt. Die Ausschöpfung des Potenzials neuer Medien sowie der Vervielfältigungstechnik, die in den 1920er Jahren ihren ersten Höhepunkt erlebte, empfand Grosz als zeitgemäß modern.

Mit der kostengünstigen Vervielfältigung seiner Grafiken im legendären Malik-Verlag leitete er eine demokratisierte Form der Verbreitung von Kunst ein, die ihn bis heute zu einem Vorkämpfer freier Meinungsäußerung macht. Ende der 1920er Jahre, als er mit seinen „Grosz-Typen“ Blaupausen der korrupten Gesellschaft geschaffen hatte, war er einer der populärsten Künstler Deutschlands, dessen Name mit der kulturellen und künstlerischen Moderne der Weimarer Republik einherging. Museen kauften und zeigten seine Arbeiten, die Feuilletons warben um ihn und bürgerliche Illustrierte übernahmen seine unverfänglicheren Zeichnungen.

Stilistisch hatte Grosz mit seiner Umrisslinie, mehrschichtigen Ansichten und figurativen Darstellungen eine Einzelposition inne, auch wenn er oft für verschiedene künstlerische Richtungen seiner Zeit vereinnahmt wurde: Seine künstlerischen Mittel waren die der Zeichnung und Groteske, die er – gepaart mit einer durchsetzungsfähigen Medienstrategie – als Waffe im Kampf gegen Missstände der Gesellschaft einsetzte. Mit einprägsamer Bildsprache, einer klaren Ästhetik sowie plakativer Bildschnitte und Collagen provozierte und fesselte er sein Publikum gleichermaßen. Seine Kunst eroberte sich damit einen Platz im kollektiven Bewusstsein, ähnlich vehement und nachhaltig wie die erstarkende Filmindustrie; denn nicht nur das Bewegtbild schaffte es in nachfolgenden Generationen, Provokation mit einer Ästhetik zu untermauern, die zum Hinschauen, Aufrütteln und Agieren anregt.

Grosz’ eindringliche Bilder und die damit einhergehenden, deutlich politischen Stellungnahmen haben eine gesellschaftspolitische Relevanz und Nachhaltigkeit inne, die bis heute beeindruckt – eine Eigenschaft, die ihn als ‚artist‘s artist‘ prädestiniert. Die Gegenüberstellung mit Positionen wie Brenner, Shrigley, Fox, Meese und Rosenkranz macht deutlich, dass auch nachfolgende Generationen eine Strategie des Entlarvens mit vehementer Ikonografie und Strategie nutzen. Die Bezeichnung von George Grosz als geistiger Mentor wird von manchen Künstlerinnen und Künstlern bejaht. Weniger bekannt ist das Wirken von Grosz in der Neuen Welt ab dem Zeitpunkt, als er mit seiner Familie vor der Gestapo floh und 1933 nach New York emigrierte, um dort an der Art Students League angehende Größen der folgenden Pop Art-Generation wie Jackson Pollock und James Rosenquist oder den afroamerikanischen Jazzer und Künstler Romare Bearden zu unterrichten. Hervorhebenswert ist Andy Warhol, dessen Werk Grosz in einer Jurysitzung gegenüber anderen Künstlern seine Zustimmung gab. Das war 1949, in dem Jahr, als Warhol nach New York übergesiedelt war. In dieser Zeit entwickelte er seinen Stil der Umrisslinie, bezugnehmend auf Berichterstattungen aus der Zeitschrift ‚Life‘: Eine Auswahl dieser Werke wird in der Ausstellung zu sehen sein. George Grosz wurden auch in Amerika regelmäßig Ausstellungen gewidmet. Er blieb den Menschen der Straßen wie auch den Medien zugewandt, in denen er immer wieder Zeichnungen veröffentlichte, z.B. in der satirischen Zeitschrift ‚Americana‘, der ‚Vanity Fair‘ und der ‚Life‘. Im ‚Esquire‘ veröffentlichte er eine politisch engagierte Serie gegen den spanischen Bürgerkrieg.

Die Ausstellung in der Kunstsammlung Jena folgt der Annahme, dass Kunst bis in unsere Zeit ein wirkungsvolles und adäquates Mittel der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung ist. Angesichts der Wirkung von George Grosz liegt die Vermutung nahe, dass die groteske Zuspitzung die Anschaulichkeit deutlich erhöht und den Betrachter engagiert und integriert. Für den Glauben daran, dass „Kunst als Waffe“ tauglich ist, gibt es bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten – neben George Grosz – auch andere Beispiele. Nach dem Zweiten Weltkrieg war diese Art im Westen wenig populär, im Osten zunächst gefördert und später als Beitrag „für den revolutionären Kampf der Arbeiterklasse“ ideologisch verklammert. Zweifellos hat politische Kunst aber seit den 2000er Jahren mit nur kurzer Vorwarnzeit eine völlig neue Breite und Vielfalt erreicht. Wie unverdrossen gegensätzlich die Meinungen im Hinblick auf die Indienstnahme der Kunst für die Darstellung von politischen Problemen und deren Lösungen sind, wird die Ausstellung anhand einiger exemplarischer Wege aufzeigen.

Im Zentrum der Ausstellung stehen die Werke von George Grosz, zum Großteil Arbeiten auf Papier, Mappenwerke und Grafik. Diese Werke, wie auch die von Andy Warhol, sind Leihgaben renommierter privater Sammlungen. Ergänzt wird die Auswahl durch einige Leihgaben aus musealen Beständen. Die zeitgenössischen Arbeiten sind Leihgaben der Künstlerinnen und Künstler oder von deren Galerien.

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